Das Kreuz. Zeichen für Liebe und Heilung. Eine Herausforderung

taize-crossFest Kreuzerhöhung – Num 21, 4-9; Phil 2, 6-11; Joh 3, 13-17

Das Fest Kreuzerhöhung wird in mehreren christlichen Kirchen gefeiert. Es erinnert an die angebliche Wiederfindung des ‘wahren Kreuzes Christi’ durch Kaiserin Helena im Jahre 326. Es kann Anlass sein, über das Geheimnis des Kreuzes zu meditieren. Das Kreuz – ‘für die Juden ein Ärgernis, für die Griechen eine Torheit’ (1Kor 1, 23) – ist das zentrale Symbol unseres christlichen Glaubens. Auf drei Bedeutungen möchte ich hinweisen.

Das Kreuz Zeichen der Liebe. ‘Gott hat die Welt so geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingegeben hat, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht und ewiges Leben hat’ (Joh 3, 16). So fasst der Evangeliumstext von heute das Geheimnis des Kreuzes in aller Kürze zusammen. Die Theologie hat auf zwei Weisen zu erklären versucht, warum Jesus freiwillig das Kreuz auf sich genommen hat. Die eine erklärt den Kreuzestod als Sühneopfer. Jesus zahlt durch sein Leiden und Sterben das Lösegeld für die Strafe, die die Menschheit durch den Ungehorsam Adams verdient hat. Die andere Erklärung ist die der Liebe. Jesus kam, um uns zu zeigen, wie sehr Gott uns liebt. Wir aber haben ihn abgelehnt. Wir haben uns dem verweigert, für den er kam. Das ging so weit, dass wir ihn einem grausamen Tod ausgeliefert haben. Die erste Erklärung ist in der zweiten enthalten. Ich bevorzuge die zweite, die zuletzt genannte. Sie macht das Kreuz anziehend. Es bleibt nicht ein bloßes Zeichen für Bestrafung, sondern wird zu einem Zeichen von Liebe. Es lädt mich ein, der Liebe Gottes, die in Jesus sichtbar wurde, zu antworten. Es bringt Heilung in mein Leben, das durch Leid gekennzeichnet ist.

Das Kreuz Zeichen für Heilung. ‘Jedes Mal, wenn jemand von einer Schlage gebissen wurde und er auf die Schlange aus Bronze sah, blieb er am Leben.’ (Num 21, 9). Als Israel durch die Wüste zog, lehnte es sich gegen die Begrenztheit seines Lebens dort auf, eine Auflehnung gegen die Begrenztheit des menschlichen Lebens überhaupt. Sie murrten gegen Gott und Moses, wünschten sich zurück in ein Leben ohne jegliche Probleme. Der Biss der Schlangen holte sie auf schmerzhafte Weise in die Härte der Wirklichkeit zurück, in die Wirklichkeit des Lebens, das Begrenztheit kennt und zu dem Leiden gehört. Die Heilung bestand im Blick auf die bronzene Schlange. Die Heilung besteht in der Annahme unserer menschlichen Bedingtheit. Vor der Schlange gibt es kein Entkommen. Das Gegengift von Gift ist selbst ein schmerzhaftes Gift. Die Annahme von Leid ist der Weg, dem Leid einen Sinn zu geben. Hierin liegt für mich die Bedeutung dieser Lesung aus dem Buch Numeri. Das ist gleichzeitig eine Bedeutung des Kreuzes, an dem wir Jesus hängen sehen. So lange ich vor der Erkenntnis der Begrenztheit meines Lebens weglaufe, bleiben meine Wunden. Wenn ich anfange, meine Grenzen und Fehler anzunehmen, dann beginnt der Weg, der zu Heilung und Ganzheit führt. Ich beginne, einen Sinn im Leid zu entdecken.

Das Kreuz meine Herausforderung. ‘Handelt so, wie Christus gehandelt hat’ (Phil 2, 5). Das Kreuz, das ein Zeichen der Liebe und der Heilung ist, fordert mich heraus, ein Leben zu führen, das Liebe schenkt und heilend wirkt. Es fordert mich auf, im Geiste Christi zu leben – ‘der in allem Gott gleich war und doch nicht daran festhielt. Er wurde einem Sklaven gleich, wurde Mensch in dieser Welt und teilte das Leben der Menschen’ (Phil 2, 6-7). Das Kreuz fordert mich auf, mich zu öffnen und meinen Mitmenschen in Liebe zuzuwenden. ‘Wenn jemand mir nachfolgen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir’ (Mk 8, 34). Das Kreuz ruft mich auf, heilend zu wirken, um mehr Menschlichkeit zu verbreiten. Meine Bereitschaft, das Kreuz anzunehmen ist Ausdruck meiner Bereitschaft, mich für Liebe und Heilung einzusetzen. Die Annahme meines Kreuzes – die Annahme meiner menschlichen Begrenztheit und meiner Fehler – ist mit dem Versprechen verbunden, dass auch ich einst erhöht sein werde, so wie ‘Gott ihn über alle erhöht hat und ihm einen Namen verliehen hat, der über allen Namen ist.’

Übersetzung Alfons Nowak